
“Alles in Allem” heißt das zweite Werk von ESCHENBACH. Und es ist verdammt stark geworden. Die Band, zwar jung an Jahren aber gespickt mit erfahrenen Menschen und Musikern, wird von Kritik und Kritikern 2012 in eine Szene gestoßen, in die sie eigentlich nicht rein gehört.
Zu tief steht die Sonne der Kultur derzeit im Genre “Deutschrock”, als dass man Künstler mit dem Willen zu Originalität und EIgenständigkeit dorthin verorten dürfte, um sie dann auch noch hinterher mit Plagiatsvorwürfen zu schlagen, nur, weil sich mit Stephan Weidner so etwas wie der (ungewollte) Erfinder der Szene der Band als Mentor und Produzent angenommen hat. Dabei sind die Unterschiede auf “Alles in Allem” gegenüber den “Mitbewerbern” doch so offenkundig. Denn musikalisch finden ESCHENBACH 2012 deutlich öfter den richtigen Ton, das richtige Arrangement und die richtige Idee als noch auf ihrem Debüt, das deutlich stärker von Weidner beeinflusst schien. Zu locker laufen Songs wie “Teufel im Detail”, “Geist gegen Sucht” oder “Hassliebe” von der Platte, als dass man dahinter eine Konstruktion erwarten dürfte. nein, hier geht alles angenehm entspannt ins Ohr, dazu ist die thematische Bandbreite so groß, dass es – man möge es nachsehen und die entsprechenden Stellen selbst identifizieren – textlich sogar zum einen oder anderen Totalausfall kommt. Nun gut, es verkompliziert die Sache eben, wenn man nicht zum Branchen-Bullshit-Bingo-Generator greift, der dieser Tage offensichtlich allerhand übliche Phrasen und Reime rund um völkischen Pathos, Saufen und Selbstgerechtigkeit ausspuckt. “Alles in Allem” ist also alles, nur kein “Deutschrock”, denn der konstituiert sich derzeit mehr noch aus der Ästhetik, den Inhalten, der traurigen Entwicklung hin zum intellektuellen Vakuum, das von diffusen Machismo-Phantasien gefüllt wird. Dinge, von denen ESCHENBACH weit entfernt sind. ESCHENBACH spielen also deutschsprachigen Rock.
Wer Parallelen zum Werk des Produzenten (ob solo oder mit Familienanschluss) finden möchte, wird sie natürlich finden. Zu groß ist die Hitdichte auf “Alles in Allem”, als dass man daran vorbei käme, die qualitative Nähe zum alles überstrahlenden Fixstern im Deutschrock-Universum zu übersehen. ESCHENBACH sind 2012 kein Projekt, kein nicht zuende gedachter Gedanke mehr, und schon gar kein Onkelz-Klon unter den vielen Reagenzglas-Produktionen, die derzeit um die natürliche Erbfolge streiten. Denn während die anderen noch um die Fortführung einer Blutlinie bemühen, die bereits Juni 2005 im Staub der Lausitz versickert ist, verlassen sich ESCHENBACH lieber auf sich selbst. Und das macht Spaß und ist so angenehm unverkrampft, dass sie ihr eigenes Original sind. Und das ist allemal besser als jede Kopie.
Till Wilhelm