Archive for Februar, 2012

Vague Views Palolem

Fotografie & Text: Johannes Finke

Von einem Punkt aus stehend den Verkehr betrachten. Das Treiben. Das Miteinander. Im Spiel. Beim Sport. In der Liebe. Beim gemeinsam Tragen einer Leiche zur Verbrennung. Beim Weg von A nach B und von B nach A. Wie schön einfach. Ein Leben am Strand. Im Sand. Anders. Saisonal. Bis zum Monsun. Durch muss ich nicht. Ich bin Gast. Teilzeit. Die Fashion Week ist weit weg. Die Bravo Bar ist weit weg. Digitale Chronik ersetzt das Teilhaben nicht. Muss es nicht. Ich habe mir den indischen Ozean immer so vorgestellt. Grün. Zumindest grünlich. Demnächst reifen sich die Kokosnüsse in Richtung Einschlag. Es wird von Tag zu Tag wärmer. Noch wärmer. Nachts tippe ich zum Rhythmus der auflaufenden Wellen. Jede siebte ist groß. Manchmal sieht man am Horizont ein Licht blinken. Mal ist es rot. Mal grün. Am Tage ist der Blick endlos. Dann kommt der Jemen. Ein Regenschirm. Eine Burka. Eine Gitarre. Ich verharre an einem Punkt und zoome.

Christan Kracht: „Imperium“

imperium

Der 1966 in der Schweiz geborene Christian Kracht, der neben von Stuckrad-Barre in den Neunzigern zum Pop-Literatur-Superstar hochstilisiert wurde, hat seinen vierten Roman geschrieben. In „Imperium“ lässt er uns eintauchen in die Zeiten des späten Kolonialismuses. Mit der Figur des historisch belegten Nürnbergers August Engelhardt geht man auf weite Reise und darf ihm zusehen bei seinem hilflosen Unterfangen in Neu-guinea seinen Sonnenorden zu etablieren.

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Einige der besten Zeilen:

- Hartmut Otto war im eigentlichen Sinne ein moralischer Mensch, auch wenn sein Anstand dem gerade vergangenen Jahrhundert erwachsen war und er wenig Verständnis aufbringen konnte für die nun anbrechende neue Zeit, deren Protagonist August Engelhardt war.

- Und stellte nicht der Hinduismus, dessen höchster Ausdruck der Vegetarismus, also die Liebe war, im Weltgefüge eine Kraft dar, dessen allumspannendes, lichtes Rauschen der einst jene Länder, denen das Christentum zwar Nächstenliebe geschenkt, darin aber nicht die Tiere einbezogen hatte, überstrahlen würde wie ein blendender Komet?

- Die Moderne war nämlich angebrochen, die Dichter schrieben plötzlich atomisierte Zeilen;

- Nagel überlegte ernsthaft, seinem Freund in die Kolonien nachzufolgen, dafür spräche, dass der jahrelang ertragene Spott, der täglich über ihm ausgegossen wird, ihm langsam das Gemüt zu zerdrücken droht, er zu zweifeln begonnen hat an der Richtigkeit seines Handelns und Engelhardt ihm mitsamt seiner Besessenheit wie ein Führer erscheint, der Kraft seines Leuchtens ihn, Nagel, aus der düsteren Wüstenei Deutschlands in ein lichtes, sittliches, reines Land zu leiten verstünde, nicht nur metaphorisch, sondern in realitas –

- Ein paar Haltestellen weiter, am Alexanderplatz, lehnt ein durchnässter Berliner an einer Hauswand und isst, mesmerisiert kauend, eine jener labberigen Bratwürste.

- (denn es zerfleischt sich bekanntlich niemand so ausführlich wie Menschen, deren Ideen sich ähnlich sind)

- Das Feuer ist sein Metier; es ist nicht allein ein Kampf gegen den Orkan, den November dort im Maschinenraum führt, sondern ein beinahe urzeitliches Ringen gegen die Natur an sich, es ist die archaische Auflehnung eines Demiurgen, der, dem Elementar-Chaos trotzend, die eiserne Schaufel einhunderttausendmal wider die Impertinenz der Weltenunordnung erhebt.

Kracht ist ein Sprachvirtuose und man bettet sich wunderbar in dieser urkomischen, irrwitzigen Geschichte. Mir fehlt die Kenntnis des Gesamtwerkes um es als sein bestes Buch zu titulieren, aber eins ist es mit Sicherheit: sein Tollstes.

256 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 18,99 Euro.

Roman Libbertz

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