Archive for März, 2012

Casper, alter Botaniker!

Ihr wart da. Casper war da. Und wir waren da. Gab es je einen Telekom Street Gig mit besseren Voraussetzungen? Selten, selten… Dem Künstler war´s ein „Inneres Blumenpflücken“ und wir fanden es auch grandios. Der Mann mit den neuen Standards eben. Wie fandet ihr es kürzlich in Stuttgart? Schaut ihm und euch einfach nochmal bei von unserer Fotografin Svenja Eckert eingefangenen Augenblicken des Blumenpflückens zu!

Alles in allem kein Deutschrock

eschenbach

“Alles in Allem” heißt das zweite Werk von ESCHENBACH. Und es ist verdammt stark geworden. Die Band, zwar jung an Jahren aber gespickt mit erfahrenen Menschen und Musikern, wird von Kritik und Kritikern 2012 in eine Szene gestoßen, in die sie eigentlich nicht rein gehört.

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Zu tief steht die Sonne der Kultur derzeit im Genre “Deutschrock”, als dass man Künstler mit dem Willen zu Originalität und EIgenständigkeit dorthin verorten dürfte, um sie dann auch noch hinterher mit Plagiatsvorwürfen zu schlagen, nur, weil sich mit Stephan Weidner so etwas wie der (ungewollte) Erfinder der Szene der Band als Mentor und Produzent angenommen hat. Dabei sind die Unterschiede auf “Alles in Allem” gegenüber den “Mitbewerbern” doch so offenkundig. Denn musikalisch finden ESCHENBACH 2012 deutlich öfter den richtigen Ton, das richtige Arrangement und die richtige Idee als noch auf ihrem Debüt, das deutlich stärker von Weidner beeinflusst schien. Zu locker laufen Songs wie “Teufel im Detail”, “Geist gegen Sucht” oder “Hassliebe” von der Platte, als dass man dahinter eine Konstruktion erwarten dürfte. nein, hier geht alles angenehm entspannt ins Ohr, dazu ist die thematische Bandbreite so groß, dass es – man möge es nachsehen und die entsprechenden Stellen selbst identifizieren – textlich sogar zum einen oder anderen Totalausfall kommt. Nun gut, es verkompliziert die Sache eben, wenn man nicht zum Branchen-Bullshit-Bingo-Generator greift, der dieser Tage offensichtlich allerhand übliche Phrasen und Reime rund um völkischen Pathos, Saufen und Selbstgerechtigkeit ausspuckt. “Alles in Allem” ist also alles, nur kein “Deutschrock”, denn der konstituiert sich derzeit mehr noch aus der Ästhetik, den Inhalten, der traurigen Entwicklung hin zum intellektuellen Vakuum, das von diffusen Machismo-Phantasien gefüllt wird. Dinge, von denen ESCHENBACH weit entfernt sind. ESCHENBACH spielen also deutschsprachigen Rock.

Wer Parallelen zum Werk des Produzenten (ob solo oder mit Familienanschluss) finden möchte, wird sie natürlich finden. Zu groß ist die Hitdichte auf “Alles in Allem”, als dass man daran vorbei käme, die qualitative Nähe zum alles überstrahlenden Fixstern im Deutschrock-Universum zu übersehen. ESCHENBACH sind 2012 kein Projekt, kein nicht zuende gedachter Gedanke mehr, und schon gar kein Onkelz-Klon unter den vielen Reagenzglas-Produktionen, die derzeit um die natürliche Erbfolge streiten. Denn während die anderen noch um die Fortführung einer Blutlinie bemühen, die bereits Juni 2005 im Staub der Lausitz versickert ist, verlassen sich ESCHENBACH lieber auf sich selbst. Und das macht Spaß und ist so angenehm unverkrampft, dass sie ihr eigenes Original sind. Und das ist allemal besser als jede Kopie.

Till Wilhelm

Javier Marias: “Die sterblich Verliebte”

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Unbestreitbar ist der 1951 in Madrid geborene Schriftsteller, wie glühender Anhänger von „Real Madrid“, Javier Marias einer der besten seiner Zunft. In seinem nunmehr dreizehnten Roman „Les enamoamientos“ (wörtlich übersetzt wäre das in etwa mit Quetschungen) beschäftigt er sich mit dem Tod, unterschiedlichen Moralentwürfen und der Verliebtheit. Mit den Augen einer Verlagskauffrau beobachten wir die innige Vertrautheit eines Paars. Als der fünfzigjährige Mann jedoch einige Zeit später auf höchst unglückliche Weise brutal erstochen wird, beginnt eine philosophisch, literarische Kriminalgeschichte.

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Einige der besten Zeilen:

- Wer verlassen wurde, kann von einer Rückkehr träumen, davon, dass dem Verlassenden eines Tages ein Licht aufgeht und er zu unserem Kopfkissen zurückkehrt, selbst wenn wir wissen, dass er uns längst ersetzt, sich in eine andere Frau, eine andere Geschichte vertieft hat und sich nur an uns erinnert, wenn es mit der neuen nicht gut läuft oder wenn wir hartnäckig bleiben, gegen seinen Willen bei ihm auftauchen und versuchen, ihn zu beruhigen, zu erweichen, sein Mitleid zu erwecken oder Rache zu üben, wenn wir ihn spüren lassen, dass er uns niemals ganz loswerden wird, dass wir keine schrumpfende Erinnerung sein wollen, sondern ein unverrückbarer Schatten, der ihn immer umschleichen und belauern wird, und ihm das Leben zur Hölle machen, ihn am Ende dazu bringen, uns zu hassen.

- Beim Betroffenen hält die Wirkung viel länger an als die Geduld derer, die gewillt sind, ihm zuzuhören und beizustehen, schnell versickert sie Bereitschaft in der Eintönigkeit.

- Gern wünschen wir, dass niemand stirbt, nichts zu Ende geht von dem, was uns begleitet und liebe Angewohnheit ist, merken jedoch nicht, dass Angewohnheiten einzig dann unversehrt bleiben, wenn man sie uns mit einem Schlag nimmt, ohne dass sie abdriften oder sich entwickeln können, ohne dass sie uns verlassen oder wir sie.

- Man gewöhnt sich daran, in Erwartung einer Gelegenheit zu leben, die nicht kommt, quasi in aller Seelenruhe, in Sicherheit und teilnahmslos, quasi ohne zu glauben, dass sie je eintreten wird.

- Wie merkwürdig ist unsere Zeit, dachte ich. Über alles darf man reden, alle Welt hört man an, was sie auch getan haben mag, und nicht nur, um ihr Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, sondern als wäre der Bericht ihr Gräuel an sich schon von Interesse.

Marias ist ein Meister der klassischen Struktur, der ganz großen Gefühle und vor allem der Leidenschaft. Entgegen anderer Rezensenten bin ich nicht der Meinung, dass dies “der beste Marias, den es je gab” ist, aber zumindest fast.

Roman Libbertz

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