Im malaysischen Dschungel

Der US-Amerikaner Jim Thompson ist eine der schillerndsten Figuren Südostasiens. Seines Zeichens Unternehmer, trug er wesentlich dazu bei, die thailändische Seiden- und Textilindustrie durch maschinelle Fertigung zu revolutionieren. Sein ehemaliges Wohnhaus, ein traditionelles thailändisches Holzhaus am Saen Saeb Khlong in Bangkok, ist bis heute ein Besuchermagnet.

Im Inneren kann man Jim Thompsons Sammlung antiker asiatischer Gegenstände bewundern und im ruhigen Garten sich dem Gefühl längst vergangener Tage hingeben.

Um seinen Tod ranken sich Legenden. Niemand weiß genau, ob Jim Thompson entführt, vom Jaguar gefressen, oder ermordet wurde, ob er Selbstmord beging, oder aber in ein anderes Leben abtauchte. Fakt ist, dass er im Jahre 1967 Urlaub in den Cameron Highlands in Malaysia machte und nach dem Abendessen einen kleinen Verdauungsspaziergang im Dschungel unternahm, von dem er niemals zurückkehrte. Man fand keine Leiche, keine Spuren, keine Kleidungsstücke, nichts.

Und genau in diesem Dschungel befinde ich mich nun und habe mich heillos verlaufen. Meine nähere Umgebung besteht aus Farnen, gigantischen Bäumen, Schlingpflanzen und Lianen. In diesem Dickicht kann ich keinen Trampelpfad mehr ausmachen, geschweige denn durch das dichte Blätterwerk der Bäume einen Himmel erkennen. Vor Aufregung schlägt mein Herz dreifache Geschwindigkeit, Adrenalin pumpt durch den Körper, die Sinne sind geschärft, verzweifelt versuche ich irgendwelche Anzeichen von Zivilisation zu entdecken, sehe aber nur Grünzeug um mich herum und das laute Zirpen der Zikaden übertönt alle anderen Geräusche. Panik überkommt mich, ungeduldig bahne ich mir einen Weg durch die grüne Hölle, aber ohne Machete komme ich nur mühsam voran. Die Bilder eines Jim Thompson im ungleichen Kampf mit irgendeiner Kreatur des Dschungels, sei es ein Panther, eine Würgeschlange oder aber ein hoch giftiger, aggressiver Tausendfüßler wollen nicht mehr weichen und begleiten mich auf Schritt und Tritt durch den Morast. Ich will es mir nicht wirklich eingestehen, aber ich habe Todesangst… Und eine plötzliche Erscheinung…

Kein Problem, hatte der Besitzer meiner Billigabsteige gemeint. Du musst nur zum Ortsausgang, dann rechts durch die Blumenzucht, dort beginnt der Trampelpfad. Er ist nicht zu verfehlen und der Weg locker alleine zu bewältigen. Nur ziemlich früh starten, war sein Tipp, damit man nicht in die Dunkelheit gerät, und immer auf dem Pfad bleiben, keine Tausendfüßler reizen und sollte ich einem Panther begegnen, einfach stehen bleiben, niemals wegrennen, dem Tier nicht direkt in die Augen blicken, aber auch nicht den Rücken zudrehen und dazu einfach die außergewöhnliche Begegnung genießen. Also alles in allem eine Wanderung, die gut und gerne ein Rentner in Ledersandalen hätte unternehmen können. Ohne große Bedenken war ich also gestartet, nur mit einer Flasche Wasser bewaffnet und ohne zusätzlichen Proviant bei mir, außer etwas Frühstück im Magen – wie Jim Thompson eben.

Zu Anfangs war der Pfad auch ersichtlich gewesen, führte immer bergauf, und ich stieg über riesiges Wurzelwerk, bis es auf der anderen Seite bergab ging. Es handelte sich hierbei um die Regenseite und die Vegetation nahm mit jedem Meter zu, so dass man kaum noch einige Meter weit blicken konnte. Der Pfad wurde von Pflanzen überwuchert, Bäume lagen quer, bald konnte man die richtige Richtung nur noch erahnen. An einer Art Weggabelung angekommen, wusste ich nicht weiter wohin. Links ging es steil bergauf in noch dichteres Gestrüpp, rechts weiter den Hang hinab. Voller Zweifel entschloss ich mich für die rechte Abzweigung, verlor das Gleichgewicht, rutschte und rollte den Berg hinunter, durch Gestrüpp und Matsch. Der Weg zurück war nun durch zu viel Schlamm aussichtslos, warum ich eine Richtung einschlug, in der ich das Städtchen vermutete, aus dem ich gekommen war.

Und da bin ich nun, inmitten des malaysischen Dschungels und habe eine fast schon mystische Erscheinung. Keine Ahnung, ob es den widrigen Umständen, dem Wasser- und Essensmangel zu verdanken ist, aber plötzlich entdecke ich einen Menschen hinter dem Stamm eines Baumes. Es ist kein indigener Ureinwohner, nein, es handelt sich hierbei um einen hemdsärmeligen Herrn in Buntfaltenhosen mit westlichen Gesichtszügen. Ungläubig wische ich mir über die Augen und steuere direkt auf diese Person zu. Doch kaum habe ich mich ihr einige Meter genähert, verschwindet diese und erscheint in einiger Distanz erneut. Dies wiederholt sich so oft, bis das Gelände plötzlich flacher wird, der Boden dafür morastiger. Der Schlamm gluckert bei jedem Schritt unter meinen Füßen, schon bald stehe ich bis zu den Knien im Wasser. Drei Meter hohes Elefantengras bildet nun eine fast undurchdringliche Barriere, der Mann winkt mir daraus zu. Mit den Händen bahne ich mir eine Schneise durch das mannshohe Gras und wie durch ein Wunder endet abrupt alle Vegetation und ich finde mich auf einer Lichtung wieder. Vor mir ein Maschendrahtzaun, dahinter ein kleines Elektrizitätswerk. Ich kann eine asphaltierte Straße erkennen, die vom Elektrizitätswerk in den Dschungel führt. Überglücklich puste ich durch, versuche meinen Puls zu drosseln, um mich bei dem Mann zu bedanken, der aber ist spurlos verschwunden.

Einige Tage später sitze ich in Kuala Lumpur im Internetcafé und google nach Jim Thompson. Als sein Portrait auf dem Bildschirm erscheint, erschrecke ich fast zu Tode. Kein Zweifel, es handelt sich hierbei genau um diesen Jim Thompson, der mich aus dem Urwald geführt und dadurch gerettet hat.

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