Tätowierte Männlichkeit, fleischlos aber mit Seele: Light Your Anchor

Light-Your-Anchor-Hopesick-Artwork

Im Laufe der letzten zwanzig Jahre hat sich mein Verhältnis zu dem was man als ‘harte Gitarrenmusik’ bezeichnen könnte doch sehr verändert. Das hat mit Sicherheit und in meinem Fall auch etwas mit einer gewissen und grundsätzlichen Ablehnung von Szene-Inzest und Ignoranz zu tun, doch wo fängt man mit Kritik besser an als bei sich selbst.

„Hopesick“, das neue Album von Light Your Anchor aus Hamburg, hat mir wieder Lust gemacht. Lust auf mehr verzerrte und laute Gitarren. Lust auf Sing & Scream. Lust auf Musik, die sich szene-typisch definiert, den Antrieb aus der eigenen Generation nimmt und sich nicht an Überbildern abarbeitet. Hardcore, Screamo und all die Artverwandten sind Teil einer weißen Kultur, die sich nie als solche gesehen hat und die mit Death, Bad Brains und Dead Kennedys eigentlich genügend Anknüpfpunkte hätte, sich auch historisch als bunter zu erweisen. Doch hier wird leider noch immer pseudo-missionarisch das eigene Ego zur Aufwertung vorgetragen, die eigene Fleischlosigkeit als Entschuldigung für die Ohnmacht, die man in sich spürt, will man die Welt wirklich verändern. Als ob Gitarren und Vans und Tattoos und weltweit verschiffte Veganware nicht auch Teil einer kapitalistischen Konsumkultur wären, die uns als unfrei definiert, sondern Ausdruck individueller Erleuchtung. Doch vergessen wir das alles: Die Musik auf “Hopesick” ist brachial, melodisch, kurz und bündig, wie ein 30 Minuten-Sprint durch die Klangwelt progressiver Rockmusik, liebevoll und detailliert geschrieben und produziert, ohne Schnörkel und doch mit Liebe verziert. Ein wirklich großes Album.

Links:
Let It Burn Records
Light Your Anchor auf FB

(JF)

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