'Category Archives: Kolumne Kolumne

Tilman Rammstedt

Der 1975 geborene Tilman Rammstedt ist für mich das deutsche Pendant zu Jonathan Safran Foer. Wie der geniale Amerikaner beweist auch er mit jedem Buch den Mut weiter zu gehen, die Grenzen ein wenig mehr zu überschreiten und beweist dabei ebenfalls er die große Kunstfertigkeit sich nicht zu verlieren. In „Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters“, einer sagenhaften Abendteuergeschichte mit stark zwischenmenschlichstem Einschlag und doppelten Böden ist das selbstverständlich nicht anders. Bachmann, Annette-Hülshoff und den Preis der deutschen Wirtschaft hat er schon, im Grunde nur eine Frage der Zeit bis er sie alle besitzt.

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LiteraturKolumne-Rammstedt

Im malaysischen Dschungel

Der US-Amerikaner Jim Thompson ist eine der schillerndsten Figuren Südostasiens. Seines Zeichens Unternehmer, trug er wesentlich dazu bei, die thailändische Seiden- und Textilindustrie durch maschinelle Fertigung zu revolutionieren. Sein ehemaliges Wohnhaus, ein traditionelles thailändisches Holzhaus am Saen Saeb Khlong in Bangkok, ist bis heute ein Besuchermagnet.

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Ein unmöglicher Versuch
mit Sibylle Berg

Sich einer Großmeisterin wie Sibylle Berg zu nähern ist schwerig. Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass es mir schließlich nie so gelingen würde, wie ich wollte. Aus diesem Grund strich ich all meine Fragen auf zehn Wörter zusammen, in der Hoffnung, sie würde das verstehen. Und hier lesen sie das Ergebnis:

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Schriftstellerin?

Wollte ich seit ich 5 war werden. Weil – ja vermutlich weil ich Angst vor Lokomotiven hatte. Tja, da denken Sie jetzt mal darüber nach. Geschrieben habe ich dann später tonnenweise Geschichten, 2 unveröffentlichte Romane, und der Antrieb war nur, besser zu werden, so gut, dass ich irgendwann sagen würde: “So, dass ist jetzt mal richtig gut. Inhalt und Form stimmen, ich sage alles, was ich wollte, und die Menschen tragen mich auf Händen für die Warheit, die ich Ihnen geschenkt habe.” Das wird wohl nie passieren.

Schweiz?

Westdeutschland war mir zu groß. Oder ich weiss nicht. Nach der DDR habe ich einen Ort gesucht, an dem ich keine Angst haben muss. Ein wenig pathologisch, ich gebe es zu. In der Schweiz habe ich mich immer wie in einem Schaumbad gefühlt. Nicht wegen der Steuern des Reichtums, eigentlich ist das Land zu teuer für Künstlerinnen. Aber es hatte immer mein Tempo, der Humor der Menschen entsprach mir mehr. Irgendwie so etwas ungreifbares.

Reisen?

Nachdem ich lange Zeit die Welt besichtigen musste, um ein wenig zu verstehen, Kriege und Armut und alles, was anders ist als bei uns, sehen und begreifen musste, muss ich das heute zwingend nicht mehr. Ich fahre nur noch gerne an Orte, die ich kenne, und an denen mir wohl ist.

Buchmessen?

Kotz.

Toto?

Mein Idealmensch.

Leben?

Eindeutig zu kurz. Erst weiss man nicht, wer man ist und wo und mit wem und warum. Und wenn man das herausgefunden hat, muss man auch schon langsam den Sarg packen.

Autoren?

Wild durcheinander, zu allen Zeiten unterschiedlich wichtig. Upton Sinclair, Bret Easton Ellis, Murakami, Zola, Greer, Phillipe Djian.

Weiss?

Ich hab es eigentlich schwarz lieber, ich finde es lustiger in Punkkneipen (ok, die gibt es nicht mehr) als mit Engeln zu reden. Schwarzer humor, schwarze sachen contra weisse Lichtarbeiter.

Netzwerke?

Prima. Also online? Prima. Oder in Echtzeit? Prima.
Ohne andere ist das Leben doch komplett unerträglich. Große Liebe zum Internet, große Liebe zu Nerds, große Liebe zu all dem Raum im Netz, den ich noch nicht verstehe.

Genuss?

Dauernd. Wenn nicht Buchmesse. Ich bin der trägste, genussvoll vor sich hinsabbernde Mensch, den ich kenne.

Toro Embolao

Laut zischend steigt die Feuerwerksrakete dem Himmel entgegen, zieht einen Schweif Pulverqualm hinter sich her und explodiert mit einem lauten Donnerschlag. Das unverkennbare Zeichen, der 500 Kilogramm schwere Stier wird freigelassen und durch die engen Gassen und Straßen in die Stierkampfarena getrieben, in der er schließlich getötet werden soll. Männer werden ihren Mut beweisen, indem sie kurz vor dem Stier rennen, einziges Hilfsmittel zu Abwehr wird eine eingerollte Zeitung sein. Es ist Karfreitag, und wie jedes Jahr wiederholt sich die Toro Embolao in dem weißen andalusischen Dorf Vejer de la Frontera aufs Neue.

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Um das Spektakel besser beobachten zu können, habe ich mir einen sicheren Platz auf einem der Flachdächer errungen, von wo aus man einen guten Blick auf die Hauptstraße hat. Ich schaue auf die Männer hinunter, die ungeduldig von einem Bein auf das andere hüpfen und lausche den Klängen einer Blaskapelle, die spanische Volkslieder trompetet. Frenetischer Beifall brandet auf und um die Ecke hetzen die ersten Läufer, schwer schnaubend als wäre ihnen der Tod persönlich knapp auf den Fersen.
Der Tod ist in diesem Falle der Stier mit einer halben Tonne purer Muskelmasse, die direkt vor meinem Aussichtspunkt zum stehen kommt. Die blank polierten Hörner des Bullen blitzen im Sonnenlicht, sie sind lang wie der Unterarm von Hulk und so spitz, dass er damit Atomkerne spalten könnte. Zwei Männer hangeln sich zum Schutz auf einen Balkon, andere flüchten die Straße hinunter. Betrunkene locken den Stier mit roten T-Shirts in den Händen, dieser setzt zur Jagd auf seine Peiniger an und keine Sekunde später ist er meinem Blickfeld enteilt.

Um vielleicht noch mehr Einblicke erhaschen zu können, klettere ich vom Dach hinunter und durch die Eisenstangenabsperrung auf die Hauptstraße. Zusammen mit Einheimischen eile ich erwartungsvoll Richtung Stierkampfarena. Doch Lärm brandet auf, kurz darauf kommen uns schwer atmende Männer entgegen. Ich drücke mich an eine Hauswand, während die anderen Schutz hinter den Absperrungen zu einer Seitenstraße suchen.
Ganz klar, der Stier hat auf dem Weg zum Schafott eine Kehrtwendung vollzogen und hetzt nun die Hauptstraße zurück. Doch anstatt sofort zu flüchten, bin ich vom Anblick seiner majestätischen Anmut, von dem Spiel der Muskeln, seinem Todeskampf und dem Willen zu überleben so fasziniert, dass ich wie gelähmt bin. Der Koloss zieht mich magisch in seinen Bann und ist nur noch etwa 50 Meter entfernt. Menschen schreien, aber ihre Rufe dringen wie aus einem anderen Universum zu mir durch.

Dann geschieht das Erstaunliche. Der anstürmende Koloss hält im Kollisionskurs abrupt inne. Seine Hufe schlittern über den Asphalt, etwa zehn Meter vor mir kommt er zum stehen. Er hebt seinen wuchtigen Kopf und starrt mir mit allzu großen Augen entgegen. Ich blicke direkt in die Iris und erkenne in diesem kurzen Augenblick die Traurigkeit darin, sein Leid, die Tränen und den Schmerz über die Grausamkeit, die ihm hier angetan wird. Dann senkt er seinen Kopf und die Hörner verkörpern den Tod, die Schuld, Krieg, Gewalt und Hölle. Eine extreme Furcht überrollt mich, die mich unbewusst zum Handeln zwingt. Flucht ist der einzig überlebende Gedanke, ich will nur noch fort von hier, ganz weit weg von dieser Stadt.

Der Stier scharrt mit dem rechten Vorderhuf über den Boden, Funken sprühen, aus seinen Nüstern qualmt der Atem. Eine halbe Tonne Gewicht setzt sich in Bewegung, die zwei Hörner zeigen genau auf mein wild pochendes Herz. Und alles geht ganz schnell. Ich mache auf dem Absatz kehrt und hetze mit einer mit unbekannten Geschwindigkeit dem Gatter entgegen, hinter dem sich die entsetzte Menge verschanzt hat. Mit einem gewaltigen Satz springe ich auf eine der Eisenstangen und katapultiere meinen Körper über die Absperrung. Just in diesem Moment höre ich den Stier unter mir ins Eisen rammen. Es kracht laut, die Eisenstangen ächzen unter der Macht des Ansturms. Die Menge weicht zurück, ich fliege zu Boden und rolle mich über die Schulter ab. Mehrere Arme heben mich auf, jemand klopft mir erleichtert auf die Schulter.

„Mein Gott, ich lebe noch!“ rauscht es mir durchs Gehirn. Einen kurzen Augenblick waren der Stier und ich eine Seele, ein und dasselbe Geschöpf unter der Sonne der Lebenden. Meine Person allerdings darf weiter existieren, auf den Stier wartet nur noch der Tod. Der Sensenmann in Gestalt eines Toreros kappt alle Verbindungen, nichts bleibt zurück.
Und so überrollt mich eine tiefe Trauer und drängt mich durch die Massen zum Ortsausgang. Ich stelle mich an den Straßenrand und recke den Daumen empor. Als ein Auto hält und ich einsteige, um weit weg von dieser Stadt zu kommen, sticht ein Schwert durch den Nacken des Stieres bis hinein ins Herz. Die Menge in der Arena jubelt gierig auf. Der Stier sackt nieder auf die Knie und stirbt.

 

Phillipe Djian

Bücher haben bei vielen meiner Freunde den Ruf, langweilig und einschläfernd zu sein. Umständliche Sätze, endlose Beschreibungen anstatt fesselnder Geschichten. Das muss verflucht noch mal nicht sein! Ein Ansatzpunkt. Durch den Bezug zum Autor oder die Hintergründe, warum dieser oder jener Roman geschrieben wurde, kann Verborgenes sichtbar und ein Buch zu mehr als einem Buch werden. Kinderleicht. Mir geht es jedenfalls so. Hier ein weiterer Versuch, ein Buch für dich lebendig zu machen. Weiter weiter lesen

philippe-dijan

Sex, Drugs & Ecuador

Die Stadt Montañita an der Pazifikküste ist Ecuadors Surferparadies und noch immer ein Geheimtipp unter Eingeweihten. Hierher pilgern Jungs und Mädchen aus der ganzen Welt, die ihr Leben dem Wellenreiten verschrieben haben. So hat sich in Montañita eine Infrastruktur entwickelt, die glücklicherweise noch nicht massenkompatibel und so für den Pauschaltouristen uninteressant ist. Bambushütten wurden zu Herbergen und Bars umgewandelt, die meisten Straßen sind nicht asphaltiert und am Strand kann man noch in Ruhe im Schatten einer Palme dem Meeresrauschen lauschen.

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Thomas Glavinic

An einem verregneten Mittwoch Nachmittag treffe ich den Schriftsteller Thomas Glavinic. Vor unserem Interview war mir bekannt, dass er 37 Jahre alt ist, dass „Das Leben der Wünsche“ seine siebte Romanveröffentlichung ist, die er alle auf einer 30 Jahre alten Schreibmaschine, für die es kaum noch Farbbänder gibt, getippt hat und dass er nach Daniel Kehlmann, mit dem er befreundet ist, der meistübersetzte Autor der jüngeren österreichischen Generation ist. Was heißt das nun? Keine Ahnung.

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Thomas Glavinic

Friedrich Ani

An einem lauen Mittwochssommerabend traf ich den Schriftsteller Friedrich Ani, in dem von ihm gewählten Münchner Stadtcafé. Seit seinem grandiosen Buch „Verzeihen“, das ich vor nicht allzu langer Zeit zum zweiten Mal las, hatte ich den Entschluss gefasst, um ein Treffen zu bitten. Weiter weiter lesen

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Benedict Wells

Bücher haben bei vielen meiner Freunde den Ruf, langweilig und einschläfernd zu sein. Umständliche Sätze, endlose Beschreibungen anstatt fesselnder Geschichten. Das muss verflucht noch mal nicht sein! Ein Ansatzpunkt. Durch den Bezug zum Autor oder die Hintergründe, warum dieser oder jener Roman geschrieben wurde, kann Verborgenes sichtbar und ein Buch zu mehr als einem Buch werden. Kinderleicht. Mir geht es jedenfalls so. Hier der Versuch, einen Roman für dich lebendig zu machen. „BECKS LETZTER SOMMER“ Weiter weiter lesen

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Sarah Kuttner

Eine Viertelstunde zu spät liefert mich die auffallend lahme Taxifahrerin in einem italienischen Lokal mit dem Namen “Trattoria Paparazzi” ab. Sarah sitzt mit ihrem Manager, der auch ein sehr guter Freund ist, dort und hat Spagetti mit Meeresfrüchten bestellt (er isst Thunfischcarpaccio mit frittierten Kapern). Weiter weiter lesen

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